Zeitmaschine Geld


Thomas Pynchon im Telegramm (03.06.2008).

Was verbindet Kitschromane, Comix, veraltete Wildwestserien und die Welt der Wunder mit der CIA, Luftschiffen und/oder auch mit Dynamit? Nichts außer einige Unwahrscheinlichkeiten. Die Frage ist falsch, sie muss lauten: Wer? Thomas Pynchon.

Phantasie, präzise zu Ende gedacht als „Kontrafaktisches“, bis in die Niederungen knallköpfig berauschter Rechthaberei fehlbesetzte Opern zur falschen Zeit und am falschen Ort, familiär, TV-freudianisch und trotzdem geduldig an Soaps vorbeimanöveriert, um dann verschwörungstheoretisch und obsolet interpretiert zu werden: In Pynchons neuem Roman „Gegen den Tag“ dreht sich alles um solide Differenzen und solche die das noch werden wollen. Nach 40 Jahren ästhetischer Konstruktionen dehnt der Mann sein literarisches Handwerk um das Stilmittel der unfreundlichen Übernahme aus und schafft ein unverschämtes Meisterwerk, eine gewissenhafte Kredenz amerikanisierter Junk-Ware und mithin ein Geduldsspiel.

Für die bald 1.600 Seiten sind gute grammatikalische Kenntnisse nicht von Nachteil, spätromantische Literaturanwandlungen erwünscht und eine grundsätzlich kritische Akzeptanz genmanipulierter Geschichte Bedingung. Nach dieser Weile wird die Welt dann beklemmend klein, auch – oder gerade – ohne ihre labialen Gegenstände. Die Übersetzungen (von Nikolaus Stingl und Dirk van Gunsteren) scheinen kongenial und mit mehr Anteilnahme kann meiner Meinung nach Popkultur z. Zt. nicht durchgerechnet und bilanziert werden: „Die Gereiztheit wurde allgemein“. Um das Material artgerecht abarbeiten zu können, müssen sogar die Tiere lesen und sprechen können – was sie erwartungsgemäß allerdings auch nicht klüger werden lässt.

Thomas Pynchon, Gegen den Tag. 1.596 Seiten, Rowohlt Verlag, Reinbek Mai 2008. ISBN 978-3-498-05306-2