Archiv im Dialog
(Wettbewerbsentwurf für das Bundesarchiv in Lichterfelde;
gemeinsam mit hoch ©, Berlin)
Entwurf
Natur, Zeit und Bilder lassen Geschichte transitorisch aber kontinuierlich entstehen, während in einem Archiv systematisch Ausschnitte davon gesammelt werden.
Leitidee
Das Bundesarchiv archiviert in differenzierten Ordnungssystemen Dokumente aus der deutschen Geschichte. Die methodische Interpretation und Einordnung von Archivalien erfolgt nach einem klaren Prinzip entweder in synchron/parallel geführten Querschnitten Vergleichen oder in diachron/historisch angelegten Längsschnitten/Vergleichen. Sie ist dabei bemüht, Schlüssel- und Eckdaten zu erschliessen und zu erhalten. Geschichte wird sozusagen „gerastert“.

Die Architektursprache des Neubaus sowie des Innenhofs am Dienstort Lichterfelde ist auf ein strenges Ordnungsraster von 6 x 6 Metern aufgebaut und bietet damit bereits eine grossräumliche Analogie zur grundsätzlichen Arbeitsweise eines Archivs.
Unser künstlerisch-landschaftsarchitektonisches Konzept überlagert dieses statische Ordnungsraster mit neuen und spannungsvollen Raum- und Zeitebenen, um den Betrachter zu individuellen Sichtweisen auf die Zeitgeschichte anzuregen.
Diese Überlagerung wird an drei Stellen auf dem Gelände thematisiert:
Am Haupteingang Finckensteinallee befinden sich zwei mit Beton vergossene Eingangsfiguren, die axial in direktem Bezug zum Innenhof stehen. In der Höhe der Skulpturenhände wird in einem Pfeiler ein Monitor eingebaut, auf dem in einem Loop ein etwa dreiminütiges Video (DVD) läuft. Das Video (ohne Ton) zeigt, ausgehend vom virtuell freigelegten Ausschnitt, Bilder von Händen in Aktion – Gesten, Arbeiten etc. – und löst damit die mehr als 100jährige, monologisch-militärische Geschichte des Areals medial auf.

Am Haupteingang des Archivneubaus werden in die Treppenanlage drei Monitore in eigenen Baukörpern integriert, auf denen drei unterschiedliche, etwa fünfminütige Videos (DVD ohne Ton) zur Geschichte des Geländes im Loop laufen. Dabei wird auf Material des Bundesarchives zurückgegriffen. Die Medienquader sind gegenüber der orthogonalen Anlage axial in Richtung der ankommenden BesucherInnen gedreht und weisen nach Osten. Die Gestaltungseinheit kontextualisiert die konkrete Geschichte des Ortes.

Im Innenhof des Archiv-Neubaus wird aus dem vorgegebenen Architekturraster ein streifenförmiger Wegebelag aus hellem Dolomit hergestellt, der sich exakt an den Stützen des Glasvorbaus orientiert. Aus diesem Raster wird eine rechteckige Ebene herausgedreht, in Nord-Südrichtung ausgerichtet und etwa 90cm über das Hofniveau angehoben. Die Erhöhung ermöglicht eine Bepflanzung mit Bäumen auch auf der unterbauten Fläche im eher sonnigen Teil des Hofes und schafft an den Aussenflächen Platz für den dritten Medienstandort. Auf dieser Ebene stehen in einer mit Frühjahrsblühern bestückten Wiesenfläche fünf Apfelbäume, die jeweils in einer der fünf politischen Zeitebenen seit 1870 gezüchtet wurden: Kaiserreich, Weimarer Republik, Nationalsozialismus, geteiltes Deutschland und Wiedervereinigung. Wenngleich das Bundesarchiv an seinem Standort Lichterfelde keine Archivalien aus der BRD und dem wiedervereinigtem Deutschland beherbergt, so steht der blühende und fruchttragende Apfelgarten für den historischen Kontext, vor dessen Hintergrund die Archivalien geordnet und interpretiert werden.

In den Sockel wird umlaufend eine Medieninstallation mit 96 Monitoren integriert. Auf ihnen läuft – in unbearbeiteter Version, aktuell und live – das derzeit digital verfügbare Fernsehprogramm über Kabeleinspeisung. Jeder Monitor zeigt dabei tonlos ein anderes Programm. In dieser Komplexion und überflutenden Aktualität nicht mehr archivierbar, medialisiert die Skulptur ein Komplementärbild zu jedem Archiv und verweist auf die Ausschnitthaftigkeit von Dokumenten in deren Zeitbezug.

Damit sind mehrere Zeitebenen räumlich in Beziehung gesetzt: Der Apfelgarten als Sinnbild für natürliche Zyklen in der Zeit bildet einen sich ständig verändernden Lebensraum für Flora, Fauna und Menschen. Der medialisierte Sockel verweist auf die scheinbar chaotischen Parallelitäten in der Gegenwart und das darunter liegende Architekturraster schreibt ein historisches System statisch fort. Die möglichen Uberlagerungen dieser Ebenen sind räumlich wie reflexiv nun eine Frage des jeweils eingenommenen Standpunktes: Nichts ist so eindeutig und eindimensional wie es scheint.
Freiraum
Als Naturstein wird für die Platzflächen und Treppenanlagen ein ockergelb bis grauer Dolomit eingesetzt: Für den Innenhof ein streifenförmiger Plattenbelag in freien Längen, für die Treppe Blockstufen und die Zwischenpodeste Mosaikpflaster. Auch die Oberkante der Medieninstallation des Innenhofsockels wird aus Dolomit gestaltet und eignet sich somit auch als von den Bildschirmen abgewandte Sitzgelegenheit für Besucher.
Der grösste Teil des Niederschlagswassers aus den Freiflächen wird im Innenhof zur Versickerung gebracht. Durch den wie ein Hochbeet aufgebauten Apfelgarten kann relativ viel Wasser gespeichert werden, zusätzliches Rückhaltevolumen wird durch unterirdische Rigolen gewährleistet.
 
Medieninstallationen
Die Reduktion der eingesetzten Medien auf visuelles Material verdeutlicht die grundsätzliche Ausschnitthaftigkeit von Wahrnehmung. Die vier skizzierten Videos sind Bestandteil der Ausführung unseres Wettbewerbsvorschlages; sie existieren noch nicht. Die vorgeschlagene Installation wurde jedoch insgesamt auf ihre technische und ökonomische Machbarkeit bereits positiv untersucht.
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