Parallele Dimensionen

Der Truppenübungsplatz und die Kasernen Döberitz. Kulturgeschichtliche Skizzen.

Karte


[…] In diese vndt anderen Eweren vestungen, vndt Ortter, leget solche commandanten hinnein, die einig vndt allein von Euch dependieren vndt lasset Euch auch keine darzu recommendiren, oder furschlagen, erwellet dazu solche die im kriege woll erfahren, vndt Damitt Ihr auff allen fall keinen mangell ahn wollerfahrenen hohen kriegs officiren habt, So ist es nottig das Ihr bei fridenszeitten, Dieselbige, So viell in belegerungen Attacquen vnd Battallien gewessen, vndt gutte renommee erworben, an Euch zeihett, vndt ihnen einiges Accommodement geben, den da werdet ihr woll bey fahren. Auch kan man alßdan in kriegszeitten solche zu vornehmen Scharschen nutzlich gebrauchen […]1

1. Topografie
1.1. Das Übungsgelände
1.2. Der Flugplatz
2. Einrichtungen und Nutzung
2.1. Das Baracken- und das Neulager
2.2. Die alten Fliegerkasernen
2.3. Die Elstal- und die Elsgrundkasernen
2.4. Das Olympische Dorf
2.5. Die Infanterieschule
2.6. Die Löwen-Adler-Kaserne
2.7. Die Zeit der Nutzung durch die Sowjetarmee
3. Siedlungsgeschichte
3.1. Döberitz
3.2. Neu-Döberitz
3.3. Jüdische Hintergründe in der neueren Siedlungsgeschichte
4. Folgeerscheinungen der Militärpräsenz
4.1. Die Gefangenenlager und KZ
4.2. Friedhöfe und Gräber
4.3. Denkmäler auf dem Gebiet des Übungsplatzes
4.4. Cafés, Restaurants und Lokale
5. Bildzeugen
5.1. Fotos, Bild- und Ansichtspostkarten
5.2. Humor im militärischen Kontext
5.3. Kitschpostkarten
6. Rezeptionsgeschichte

1. Topografie

Die Brandenburg-Berliner Nauener Platte, die sich über ihr Umland durchschnittlich 15 Meter erhebt, ist eine weitgehend geschlossene Hochfläche, die in der Saaleeiszeit und der letzten Eiszeit entstanden ist. Es überwiegen Grundmoränenflächen, die zum Teil von flachwelligen Endmoränenbildungen überlagert werden. Wie die Großstädte Berlin und Potsdam liegt auch die namensgebende Stadt Nauen am Rand der Platte, und zwar am nördlichen Rand. Weitere größere Orte auf der Hochfläche sind Wustermark, Brieselang, Dallgow-Döberitz und Ketzin. Die Städte, Dörfer und Gemeinden auf dem Plateau gehören heute überwiegend zu den beiden Landkreisen Potsdam-Mittelmark und Havelland.

Der militärische Übungsplatz „Döberitz“ auf diesem Gelände, zwischen Nauen, Staaken und Postdam gelegen, erhielt seinen Namen durch den Ortsnamen des kleinen, ursprünglich aus slawischer Besiedlungszeit stammenden Bauerndorfes Döberitz, das einmal zentral auf dem Gelände gelegen hatte.

1.1. Das Übungsgelände

Auf der Suche nach einem ständig benutzbaren militärischen Übungsfeld wurde auf Drängen der militärischen Führung per Dekret von Wilhelm II. am 15.04.1894 in der Döberitzer Heide, 15 km westlich von Berlin, ein Areal von 4.161 ha. zwischen den Gemeinden Priort im Westen, Dallgow im Osten und Krampnitz im Süden enteignet und 1895 vom Militärfiskus eingezogen. Großflächig abgeholzt und als siebtes „Übungsschlachtfeld“ in Deutschland erschlossen, stand es fortan der Armee zur Verfügung. Ab 1896 wurden dort regelmäßige Gefechtsübungen abgehalten, auch um bereits zeitnah die Soldaten auf Einsätze in deutschen Kolonien vorzubereiten: Schon 1900 wurden Truppenteile in Tropenausrüstung zur Bekämpfung des „Boxer-Aufstandes“ nach China gesandt.

Die Soldaten waren vorerst in Großzelten südlich der Berlin-Hamburger Chaussee untergebracht bis im Sommer 1896 der Bau der Wellblech-Unterkünfte und die Anlage der Infrastruktur nördlich davon in der Nähe von Dallgow abgeschlossen war. Das bei der Abholzung angefallene Holz wurde beim Barackenbau verbaut. Die Übungen vor Ort dienten der Ausbildung des 2. Garderegimentes (Artillerie, Infanterie und Kavallerie), das in Berlin stationiert war und dessen Abteilungen in zweiwöchigem Rhythmus in Döberitz übten. Die Reserve des Regimentes wurde ein- bis zweimal jährlich einberufen und ebenfalls in Döberitz geschult. Die durch die Abholzungen entstandenen Brachen wurden – besonders in den trockenen Sommermonaten – von den Soldaten gerne „Wüste“ genannt.

Ab etwa 1910 wurde parallel zu den turnusmäßigen Übungen der Infanetrie und Artillerie im allgemeinen, technisch-industriellen Aufschwung aber erstaunlich zögerlich, mit Flugversuchen im nordwestlichen Teil des Übungsgeländes nahe Priort begonnen. Ab 1912 dann systematisch strukturiert, führten diese zur Gründung der „Flieger-Ersatz-Abteilung“. Deren Personal war im WK I. zuerst nur als Beobachter eingesetzt. Im Verlauf der in der Luft immer heftiger werdenden Kämpfe entwickelten sich Flugzeuge und Piloten mit fortschreitendem Kriegsverlauf immer schneller zu entscheidenden strategischen Potentialen, was den Schulungsbetrieb nicht nur in Döberitz forcierte. Neben dem daraufhin intensivierten Ausbildungsbetrieb in der Truppe wurden in Döberitz darüberhinaus jahrzehntelang auch immer wieder militärisch-technische Neuerungen erstmalig experimentell getestet, darunter der Einsatz von Senfgas oder die Einrichtung eines „kinematografischen Schießstandes“, in dem auf projizierte Filmbilder geschossen wurde (während des WK I.). Die GPK, die Gewehr-Prüfungskommission hatte bis Ende 1918 auf dem Übungsgelände einen eigenen Probeschießstand. Auch der Vorläufer einer thermobarischen Bombe (Vakuumbombe) wurde 1944 hier angeblich erstmals „erfolgreich“ gezündet.

Nach dem WK I. wurde das Gelände ab 1918 vom Alliierten Kontrollrat überwacht. Viele militärische Einrichtungen vor Ort waren zerstört oder demontiert worden, der militärische Betrieb von Flugzeugen war bis 1927 untersagt. So wurde – die Maschinisierung und Automatisierung des Militärs war Programm geworden – alternativ eine Kraftfahr-Versuchsanstalt gegründet, die auf dem Gelände Tests zur militärischen Verwendung von motorbetriebenen Fahrzeugen machte. Die Reichswehr nutzte das Areal zu ebendiesen Übungszwecken; im Verborgenen trainierten bereits auch die Schwarze Reichswehr und Kampfverbände rechtsnationaler Bünde und Sportbünde. Der militärische Teil des Kapp-Lüttwitz-Putsches 1920 nahm seinen Ausgang in Döberitz.

Nach dem Ende der Aufsicht des Alliierten Kontrollrates 1927 bemächtigte sich unter der Leitung Görings der nationalsozialistische Teil der Militärs des Geländes mit dem Ziel, eine neue Luftstreitmacht zu etablieren. Als „Reklamestaffel“ getarnt, trainierten Piloten ab 1933 militärische Einsätze in Döberitz. Bereits 1936 wurde aus diesem Kontingent die „Legion Condor“ in Spanien zum Einsatz gebracht.

In populistischer Parallelität von Militär, Sport und Kampf war das Gelände aber auch immer wieder Ort für Reitsport-Veranstaltungen und kurzfristig damit auch für die Öffentlichkeit zugänglich. Als sportlich-propagandistischer Höhepunkt fanden 1936 dort die Geländeritt-Wettbewerbe im Verlauf der Olympischen Spiele statt, während die männlichen Teilnehmer der Spiele in der als „Dorf des Friedens“ getarnten neuen Infanterieschule Döberitz logierten.

Während des WK II. wurden in Döberitz neben Kampfpiloten intensiv vor allem Infanteristen, Artilleristen und Flak-Soldaten ausgebildet. Dazu entstanden sowohl eine große Zahl von Schießständen, Bunkern, Gräben und Unterständen auf dem Übungsgelände, als auch Kasernenkomplexe für mehrere tausend Soldaten in dessen Umgebung. Beides, Kasernen und Gelände wurde von 1928 bis 1943 gerne auch als Kulisse und Drehort für Filme mit propagandistischer Ausrichtung genutzt (u.a.: „Der Choral von Leuthen“ (1932/33), „Die letzte Kompagnie“ (1930), „Die drei Unteroffiziere“ (1939), „Pour le Mérite“ (1938), „Der große König“ (1942) und „Ohm Krüger“ (1940/41)). Kaum angegriffen oder beschädigt, ging das durch mittlerweile weitere Enteignungen auf ca. 5.500 ha. ausgedehnte Areal 1945 kampflos in die Hände der Sowjetarmee über.

Diese nutzten es bis 1992 für die Stationierung und Schulung von Infanterie-, Artillerie-, Flug- (bis 1960), Raketen- und Aufklärungsbataillone. Panzereinheiten aus der Garnison Elstal, wie die Sowjets das westliche Gelände des Kasernenkomplexes dann nannten, nahmen 1956 bei der Niederschlagung des Ungarn-Aufstandes und 1968 dann bei der Niederschlagung des Prager Frühlings teil. Nach dem Abzug der sowjetischen Truppen, die große Teile des Übungsgeländes fast 10 Jahre nicht mehr genutzt hatten, blieb ein von bald 100jähriger militärischer Betriebsamkeit gekennzeichnetes Brachland zurück, dessen augenscheinlich tektonisches, aber militärisch erzeugtes Relief nun langsam erodiert. Die anhaltende Kontaminierung des Bodens durch chemische Stoffe, Maschinen-, Waffen- und Munitionsreste aus langjährig intensiver militärischer Nutzung verhindert darüber hinaus eine wirtschaftliche Nutzung. Eine grundsätzliche Beräumung ist aus Kostengründen nicht realisierbar und vor dem Hintergrund, dass das Areal zur Einflugschneise des Berliner Flughafens Tegel gehört, z.Z. auch nicht unbedingt attraktiv. Etwa 10% des Geländes im Süden werden seit 1995 erneut von der Bundeswehr (Garnison Spandau) als Übungsgelände zur Fahrerausbildung genutzt.

Die Döberitzer Heide ist seit 1997 ein von einem Netz von Wanderwegen durchzogenes Naturschutzgebiet mit großer Artenvielfalt. Seit Juli 2004 nutzt die Heinz-Sielmann-Stiftung den nordwestlichen Teil des Übungsgeländes um den ehemaligen Flugplatz als Schaugehege, das sukzessive zum großflächigen Wildfreigehege erweitert werden wird.

Die Spuren der unterschiedlichen Formen militärischen Trainings erodieren seit 1992. In etwa fünf Jahren – um 2013 – werden die Reste fortwährender kriegsstrategischer Stellungs- und Bewegungsspiele in dem nun regionalpolitisch anvisierten Naherholungsgebiet vermutlich ganz verschwunden sein. Heute schon (2008) ist vieles dieser fast 100 Jahre andauernden, meist hermetisch abgeschirmten Parallelwelt, von der kulturhistorisch nichts auch nur ansatzweise kartiert wurde, bereits unlesbar geworden. Die Bauruinen aber werden – je nach den investiven Optionen der Erweiterung des Nutzungskonzeptes – noch etwas länger überdauern.

1.2. Der Flugplatz

Nach eher experimentell anmutenden Unternehmungen und Vorführungen in Döberitz wurde die „Provisorische Fliegerschule Döberitz“ offiziell am 1.05.1910 gegründet. Zu dieser Zeit bestand die deutsche Luftflotte aus 14 Zeppelinen („Lenkballons“) und 8 Flugzeugen („Aeroplane“), die jedoch nicht in Döberitz stationiert waren. Bereits im Sommer 1910 startete man Versuche, Flugzeuge auch militärisch nutzbar zu machen. Das Döberitzer Testflugfeld wurde dazu südlich der Berlin-Hamburger Chaussee am äußersten nordöstlichen Rand des Übungsplatzes in der Nähe von Priort eingerichtet. Erstmals eingesetzt wurden Flugzeuge beim Kaisermanöver 1911.

Bis zu Beginn des WK I. hielt das Oberkommando allerdings weder auf die Maschinen noch auf die erbrachten Leistungen der Technik und der Piloten große Stücke; Zeppeline waren das propagierte und erhoffte Gebot der Stunde. Nach aber großen Verlusten bei der Zeppelinflotte bereits in den ersten Kriegsmonaten verlagerten sich Hoffnungen und militärische Erwartungen schon 1914 schnell auf die eilig ausgebildeten Fliegerstaffeln, sodass die technischen Entwicklungen der Konstrukteure und Erfinder auch ausreichende finanzielle Unterstützung erhielten.

Als erster Miltärflugplatz Deutschlands wurden auf dem Flugfeld in Döberitz die verschiedensten Entwicklungen luftwaffentechnischer Art getestet oder entwickelt. Dazu zählen die Luftbildfotografie, der Flugsimulator, Fallschirme, Motorenprüfstände für Dauerbelastungstests, der Funkverkehr zwischen Boden- und Luftpersonal und Kreiselinstrumente. Da der Platz während des WK I. nie ein Angriffsziel darstellte, konnten alle Versuche störungsfrei vom Kriegsgeschehen unternommen werden. Daneben wurden auch Piloten ausgebildet und geschult. Anfänglich in Baracken am Nordrand des Flugfeldes untergebracht, wurden der Staffel 1914 großzügige Kasernen gebaut.

Nach der Stilllegung der militärischen Luftfahrt in Deutschland durch den Alliierten Kontrollrat von November 1918 bis Januar 1927, waren nur geringe Fortschritte in der Luftfahrttechnik zu verzeichnen. Die Aufhebung der Reglementierungen forcierte alle bis dato geheim betriebenen Entwicklungen, um die sich ab 1928 bereits Hermann Göring bemühte. Auch für deren praktische Tests wurde häufig Döberitz ausgewählt. Bereits zu den Olympischen Spielen war die Luftwaffe wieder in Kampfbereitschaft und testete als „Legion Condor“ in Spanien ihre neuen Entwicklungen im Kampf. Personal und Technik dafür stammten aus Döberitz. Neben Piloten wurden dort nun auch Fallschirmjäger ausgebildet.

Baulich musste der Flugplatz den neuen Anforderungen dann angepasst werden: Neue Werkstatthallen und Munitionsbunker im Norden und Hangars, Tower und Leitstelle im Süden wurden gebaut. Im Südwesten entstanden drei Justierschießanlagen, in denen die Bord-MGs der Flugzeuge eingeschossen wurden. Bis zum Ende des WK II. war vieles davon technisch bereits wieder überholt und auch der Flugplatz ohne große militärische Bedeutung. Nur die Jägerleitstelle im Fliegerhorst hatte noch strategische Funktion. Der Flugbetrieb wurde wegen des fehlenden Treibstoffes eingestellt.

Nach der Übernahme der Einrichtungen durch die Sowjetarmee wurde das Gros der Technik abgebaut und in die UdSSR gebracht. Eigenen Flugverkehr unterhielten die Sowjets allerdings noch bis 1960. Dann waren die niemals befestigten Start- und Landebahnen zu klein und zu gefährlich für den Einsatz der mittlerweile düsenbetriebenen Flugzeuge geworden und man verlagerte den Flugbetrieb nach Oranienburg. Die Gebäude wurden umgenutzt oder verfielen.

Die Bauten auf dem Flugplatz, die dennoch bis zum Abzug der Sowjetarmee 1992 überstanden hatten, darunter Hallenbauten von Ernst Sagebiel, wurden ab 1993 „zurückgebaut“ bis 2006 dann alle spurlos verschwunden waren. Das Flugplatzareal ist seit Juli 2004 Sitz der Sielmann-Stiftung und wird als Schaugehege für Wisente, Rothirsche und Przewalski-Pferde genutzt. Nurmehr die massiv betonierten Kugelfang-Anlagen der ehemaligen Justierschießstände stehen noch, werden aber bald vollständig überwuchert sein.


2. Einrichtungen und Nutzung

2.1. Das Baracken- und das Neulager

Das sog. Barackenlager wurde 1896 bei der Einrichtung des Übungsplatzes in großer Eile erbaut. Dabei waren nur wenige Massivhäuser errichtet worden. Die Soldaten-Unterkünfte bestanden zuerst aus Zelten und halbtonnenförmigen Wellblechhütten, das Offizierskasino war ein Fachwerkbau und die Ställe Holzschuppen, als die ersten Soldaten einzogen. Die Eile war geboten, wollte man doch auch mit Deutschland militärisch zu kolonialer Größe aufsteigen und im internationalen Vergleich ebenfalls sich mit exotischen Kolonien schmücken können. Bereits 1900 wurden die ersten „Döberitzer“ zur Niederschlagung des Boxer-Aufstandes nach China verschickt.

Im Laufe von etwa 10 Jahren veränderte das Lager sein Gesicht. Immer mehr Massiv- und Fachwerkbauten ersetzten die Blechhütten, die Infrastruktur wurde verbessert durch die Anlage von Wasser-, Abwasser- und Stromversorgungen (bis 1912/15 sogar autark), der Artilleriepark wurde südöstlich des Lagers gebaut und als der WK I. am 1. August 1914 begann, war aus dem Zeltlager bereits eine kleine Kasernenstadt für etwa 3.000 Soldaten geworden.

Bedingt durch den Kriegseinsatz wuchs der Bedarf an Soldaten, so dass das Lager erneut schnell ausgebaut wurde. Die erste Erweiterung stellte das sog. Neulager im westlichen Abschnitt oberhalb der Berlin-Hamburger-Chaussee dar, das – wiederum in Eile – hauptsächlich von englischen Kriegsgefangenen in Form von Holzbaracken errichtet worden war. Die Gefangenen selbst waren provisorisch vor Ort in Großzelten untergebracht und bewohnten etwa ein halbes Jahr lang bis zum Sommer 1915 das Neulager (bis wiederum ebenfalls von Kriegsgefangenen gebaute Gefangenenlager, eines am Galgenberg bei Rohrbeck und eines nordöstlich von Dyrotz fertiggestellt worden waren). Die solideren Bauten des Neulagers wurden 1915 von Soldaten bezogen. Für die Offiziere waren im Barackenlager mittlerweile feste Unterkünfte oder Villen errichtet worden.

Ab 1930 etwa begann eine zweite umfangreiche Phase der Erweiterung, mit der das Neulager nach Norden und Westen weiter ausgedehnt wurde. Dabei wurden noch bestehende Holzbauten durch größere Massiv- bzw. Fachwerkbauten ersetzt und das Lager umfangreich durch Fahrzeughallen ergänzt. Im Großen und Ganzen änderte sich dieser bauliche Bestand dann nicht mehr, bis die Sowjetarmee das Lager, das im Ostteil dann Garnison Dallgow genannt wurde, 1992 verließ.

Bis auf den Wasserturm, das Offizierskasino, drei Offiziershäuser, das Postamt und zwei einstöckige Fachwerkbaracken sind alle Bauwerke des Lagers bis 2000 abgerissen worden. An ihrer Stelle wurde die Siedlung (Neu-) Neu-Döberitz gegründet, die, alte Strukturen integrierend, im Wesentlichen den Straßenverlauf des alten Lagers übernahm.

2.2. Die alten Fliegerkasernen

Nach anfänglichen Provisorien 1911 wurden die ersten massiv gebauten Fliegerkasernen 1914 als „Flieger-Lager“ südöstlich der Siedlung Elstal und nördlich der Berlin-Hamburger-Chaussee (heute B5) in unmittelbarer Nähe zum Flugfeld im Elsgrund gebaut. Zu ihnen zählten ein großer Kasernenblock, ein Verwaltungs- und Stabsgebäude, eine Offiziersunterkunft und ein Offizierskasino. Da die Fliegerstaffel anfangs zahlenmäßig noch klein war, reichten diese Gebäude für die Lehr-Staffel aus. Ende 1915 (15.11.15 – 24.12.15) wurde dort auch Leutnant Manfred v. Richthofen zum Jagdflieger ausgebildet (das Fliegen hatte er bereits unter Oswald Boelcke in Frankreich an der Somme gelernt, war aber durch die Abschlussprüfung gefallen), was der Ruine des Kasinos einen aktuell-fragwürdigen, touristischen Zustrom beschert.

Bis 1927 war unter der Aufsicht des Alliierten Kontrollrates das militärische Fliegen in Deutschland verboten. Deshalb wurde in den Kasernen eine Kraftfahr-Versuchs-Anstalt gegründet, die allgemein motorbetriebene Fahrzeuge für das Militär auf dem Übungsgelände testete. Um 1930 dienten die Gebäude als Unterkunft für Reichswehr-Militaristen zweifelhafter Provinienz und Couleur, bis ca. 1933 das Infanterie-Lehrregiment dort einquartiert wurde. Nach dessen Umzug in die Löwen-Adler-Kaserne bzw. das Olympische Dorf 1936 ist die genaue Verwendung der Bauten bis zum Ende des WK II. nicht geklärt.

Nach 1945 waren die Gebäude vor allem mit Soldaten eines Aufklärungsbatallions der Sowjetarmee bis 1992 besetzt.
Alle Bauten mit Ausnahme des Offizierskasinos wurden Ende der 1990er Jahre entkernt und im Sommer 2004 abgerissen. Heute (2008) befindet sich dort Brachland. Die Zeiten überdauert haben neben dem Offizierskasino auch Reste des Mettegang-Brunnens aus den 1920er Jahren an der B5.

2.3. Die Elstal- und die Elsgrundkasernen

Die Kasernenbereiche Elstal und Elsgrund liegen nördlich des Flugplatzes auf der Nordseite der Berlin-Hamburger-Chaussee und umfassten die Anlagen des Fliegerhorstes, des N.S.K.K. (Nationalsozialistisches Kraftfahrer-Korps) und des Flakregimentes 22. Alle Bauten wurden ab 1934 bis etwa 1939 errichtet, überdauerten den WK II. und wurden danach auch noch von der Sowjetarmee genutzt. Ihr Abriss begann um 2000 und dauerte bis zum Frühjahr 2008. Nur kleinere Unterkünfte, meist Offizierswohnhäuser sowie die Kommandantenvilla (heute Privatbesitz) wurden erhalten, bis 2002 saniert, umgebaut und offerieren mittlerweile Mietwohnungen.

Die Namensgebung der dicht nebeneinander liegenden Gebiete gerät in den historischen Dokumenten und Fotos häufig durcheinander und wird vertauscht; korrekt wäre die Zuordnung der nordwestlich der Berlin-Hamburger-Chaussee liegenden Kasernen des Fliegerhorstes und der Flakkasernen zu Elstal, der nordöstlich davon liegenden zu Elsgrund (in einigen Publikationen werden auch die alten Fliegerkasernen dem Elsgrund zugeordnet).

Die flächenmäßig größte Anlage umfasste die Flakkasernen, nahe dem Ort Elstal und westlich des Olympischen Dorfes gelegen, da sie neben den Kasernen über großräumige Fahrzeug- und Garagenhallen verfügte. Einige davon stehen noch (2008), allerdings in einsturzgefährdetem Zustand. Auf Druck von Göring war die Flak aus machtpolitischen Erwägungen 1935 aus der Infanterie herausgelöst und der Luftwaffe zugeteilt worden. In ihren Kasernen waren zur Zeit der Olympischen Spiele ebenfalls Sportler untergebracht, da zu den Spielen mehr Sportler anreisten, als vorab gemeldet worden waren.

Das N.S.K.K. hatte sich 1935 an der Berlin-Hamburger-Chaussee zwischen Flak und Fliegerhorst eine Reichsmotorsportschule gebaut, in der Jugendliche über die Faszination der Technik für das Militär begeistert werden sollten. Führungen in den benachbarten Kasernen und auf dem Flugplatz gehörten deshalb selbstverständlich zum Standard-Angebot der „Schule“. Auch testeten die Angestellten Motoren und Fahrzeuge auf dem Übungsgelände und setzten damit die Arbeit der in den 1920er Jahren in den alten Fliegerkasernen gegründeten Kraftfahr-Versuchsanstalt fort. Das Korps arbeitete in enger Verbindung mit dem ADAC. Die Anlagen wurden bei der Erweiterung der B5 1998 abgerissen. Heute (2008) befindet sich dort die B5-Auf- und Abfahrt Elstal.

Die Kasernen des Fliegerhorstes (Architekt Ernst Sagebiel) im Elsgrund entstanden bis 1939 und befanden sich – durch üppigen Baumbestand gut getarnt – direkt an der Berlin-Hamburger-Chaussee. Eine befahrbare Unterführung, die heute (2008) noch existiert, verband die Kasernen mit dem Flugplatz und sicherte damit einen kreuzungsfreien Zugang. Größtes Gebäude auf dem Areal war die Fliegerschule, die gleichzeitig auch das Stabsgebäude stellte. Sie befand sich in einem U-förmig angelegten und nach Süden (zum Flugplatz) ausgerichteten zweistöckigen Komplex in der Nähe der Chaussee. Nach 1945 war dort die sowjetische Mittelschule 81 untergebracht, in der alle schulpflichtigen sowjetischen Kinder und Jugendlichen aus der Umgebung unterrichtet wurden. Diese Gebäude wurden als letzte der Anlage von Januar bis März 2008 abgerissen.

Ebenfalls auf dem Areal befand sich nördlich der Fliegerschule eine Jägerleitstelle (das sog. „Gefechtsopernhaus“), in der bis 1945 luftkampfrelevante Daten analog verknüpft wurden, um den Abwehrkampf im norddeutschen Luftraum koordinieren zu können. Zur Zeit der sowjetischen Nutzung war der Bau anfangs ein Kino, später dann Kartoffelkeller. Im September 2006 wurde das Gebäude abgerissen.

2.4. Das Olympische Dorf

Das Olympische Dorf (Architekten Werner & Walter March, Georg Steinmetz und Heinrich-Friedrich Wiepking-Jürgensmann) entstand 1934-36 als östliche Erweiterung des Kasernengebietes Elstal (Flak) und Elsgrund (neue Flieger-, NSKK- und alte Fliegerkasernen). Bauherrin war die Wehrmacht, die das Ensemble von 134 Bauten vom Baubbeginn an zu eigenen Zwecken zu nutzen beabsichtigte. Das war der eigentliche Grund für das erste, massiv gebaute Olympische Dorf in der Geschichte der Olympischen Spiele.

Etwa 5.000 Sportler – die Sportlerinnen waren in der Nähe der Sportanlagen untergebracht – bewohnten das Dorf ab Juli 1936. Da kurz vor Beginn der Spiele die Zahl der gemeldeten Sportler sich deutlich erhöht hatte, wurden die Athleten einiger Länder (darunter auch die deutschen) in den nordwestlich angrenzenden Flakkasernen untergebracht (die Grenzzäune wurden dafür kurzfristig demontiert).

Das Leben im Dorf wurde von interviewten Sportlern als angenehm, fast luxeriös geschildert, nur die ständige Präsenz von Miltärs und die Propaganda-Veranstaltungen wurden kritisch gesehen. Dazu zählen auch die ersten öffentlichen Fernsehbilder der Geschichte, die aus dem Olympia-Station ins Hindenburghaus (Veranstaltungssaal während der Olympiade) übertragen wurden. Das Anfangskapitel „Morgentraining“ in Leni Riefenstahls zweitem Teil des Olympia-Films wurde 1936 im Olympischen Dorf gedreht.

Nach dem Ende der Spiele am 16.08.1936 wurde im Dorf bis November umgebaut, so dass die ersten Soldaten im Dezember 1936 ihre Quartiere in der dann „Infanterieschule Döberitz“ genannten Anlage einnehmen konnten. Aus dem Speisehaus der Nationen war das Standortlazarett geworden und aus der Veranstaltungshalle im Hindenburghaus das Schulungs- und Vorlesungsgebäude. Das Empfangsgebäude wurde zum Stabsgebäude umgebaut. Vereinzelt wurde das Bauensemble durch Zweckbauten bis 1940 erweitert.

Den WK II. überstand das Dorf unbeschadet, allerdings wurden nach Kriegsende einige Bauten als Steinbrüche für Reparaturzwecke an umliegenden, kriegsbeschädigten Privatbauten genutzt. Dazu zählte auch das Empfangsgebäude, das derart „rückgebaut“ bis 1947 gänzlich verschwunden war.

Die Sowjetarmee installierte im Dorf ab 1945 ihren militärischen Abwehr- und Aufklärungsdienst sowie die Unterbringung von deren Offizieren. Als die Familien im Laufe der Zeit nachzogen, wurden die ehemaligen Sportlerunterkünfte zu eng. Viele wurden in den 1960er Jahren deshalb abgebrochen und in zwei Bauabschnitten durch Neu- und Plattenbauten aus dem Wohnungsbauprogramm der DDR ersetzt. Heute (2008) stehen nur noch insgesamt 27 originale, nun denkmalgeschützte Bauten, die von der Stiftung der Deutschen Kredit Bank (DKB) bewirtschaftet werden.

Seit 2008 werden die Plattenbauten auf dem Areal sukzessive abgerissen. Das Olympische Dorf ist unter der Verwaltung der DKB für BesucherInnen in den Sommermonaten zur Besichtigung geöffnet.

2.5. Die Infanterieschule

Bereits kurz nach der Gründung des Barackenlagers um 1900 wurde im Lager eine Infanterieschule eingerichtet, an der bis in die frühen 1930er Jahre unterrichtet wurde. Sie war naturgemäß im Laufe der Zeit und der Konsequenzen aus dem WK I. zu klein geworden und sollte zu Beginn der 1930er Jahre deshalb verlegt werden. Mit dem Bau des Olympischen Dorfes durch die Wehrmacht bis 1936 waren somit also gleich mehrere Probleme gelöst: Eine repräsentative, olympische Friedensdemonstration des NS-Regimes vor der Welt war inszeniert, ein neuer Standort für die Infanterieschule war gefunden und gleichzeitig war die Erweiterung des Militärstandortes Döberitz ohne Auffälligkeiten bewerkstelligt worden.

Diese Erweiterung geschah fast zeitgleich auf drei Arealen, die nach 1938 alle unter dem Namen „Elsgrund“ zusammen gefasst worden sind: Zuerst 1934 südlich der alten Fliegerkasernen mit dem Bau der sog. „Adler-Kaserne“, dann durch dem Neubau des "Olympischen Dorfes" und ab 1937 mit der Erweiterung der „Adler-Kaserne“ durch die Löwen-Kaserne.

Im Winter 1936/37 zogen bereits die ersten Soldaten im Olympischen Dorf ein. Die Unterkünfte im Dorf waren in der Folge den Offizieren und Offiziersanwärtern vorbehalten, einfache Soldaten waren in den alten Flieger-Kasernen oder der Neuen Kaserne (i.e. Löwen-Adler-Kaserne) untergebracht. Unterrichtet wurde im Hindenburg-Haus und praktisch trainiert – von Nahkämpfern und Scharfschützen bis zur Panzerabwehr – wurde auf dem Übungsplatz.

Nach der Übernahme des Areals durch die Sowjetarmee ab 1945 gestaltete sich die Verteilung von Personal und Aufgaben für die folgenden bald 50 Jahre vergleichbar: Offiziere und ihre Familien lebten im Olympischen Dorf, die Soldaten in den umliegenden Kasernen; geschossen wurde auf dem Übungsplatz – seit Ende der 1970er Jahre immer häufiger jedoch bereits aus Langeweile.

2.6. Die Löwen-Adler-Kaserne

Mit dem Bau des zweiteiligen Kasernenkomplexes der Löwen-Adler-Kaserne (Architekten Walter & Johannes Krüger) südlich der Berlin-Hamburger-Chaussee wurde 1935/36 begonnen. Bis 1939/40 waren beide fertiggestellt. Teile der westlicher gelegenen Adlerkaserne standen dagegen schon zum Zeitpunkt der Olympischen Spiele. Ihre heutigen Namen erhielten die Kasernen durch entsprechende Tier-Skulpturen an den Hauptwachen und Einfahrten an der Berlin-Hamburger-Chaussee, bis 1945 wurden sie lediglich „Neue Kasernen“ genannt.

Die Adler-Kaserne diente ursprünglich der Unterbringung bespannter Einheiten, die Löwen-Kaserne der des Infanterie-Lehrregimentes. Südlich der Kasernen befanden sich großflächig angelegte Garagen- und Fahrzeughallen und südlich davon jeweilig direkte Zufahrten ins Übungsgelände. Sowohl in der Zeit der Kriegsvorbereitung als auch des Krieges selbst dürften Zahl und Fluktuation der auszubildenden Soldaten recht hoch gewesen sein. Der Komplex der Fahrzeughallen wurde noch zu Kriegszeiten erweitert.

Am 20. Juli 1944 besetzten Einheiten eines dem Deutschen Widerstand nahestehenden Regimentes aus den Kasernen das Funkhaus an der Masurenallee in Berlin-Charlottenburg und das in Nauen, konnten aber in beiden Fällen den regimetreuen Sendebetrieb technisch nicht unterbrechen. Damit blieb dem Widerstand eine propagandistisch entscheidende Chance verwehrt und das Scheitern des Umsturzversuches konnte ungehindert verbreitet werden.

Nach der Übernahme durch die sowjetischen Streitkräfte im Mai 1945 wurde an dem Komplex baulich kaum etwas verändert. Nur vereinzelte kleine Neubauten wurden hinzu gefügt. Die Sowjetarmee nutzte das Ensemble mit hoher personeller Auslastung bis 1991.

Der bauliche Zustand der Anlage war nach Abzug der sowjetischen Truppen noch so gut, dass Überlegungen getroffen worden waren, den Komplex für die Bundeswehr wieder nutzbar zu machen. Dazu wurden die Dächer der Kasernen gesichert und 1995 neu gedeckt. Auf Grund der hohen Kontaminierung des Geländes und den für die notwendige Beräumung ernormen Kosten, wurden diese Pläne aber wieder aufgegeben. Seit der darauf folgenden Entkernung und Abriegelung der Anlage 1998 steht diese leer. Die zugehörigen Garagenhallen zerfallen und sind mittlerweile (2008) stark ruinös. Häufig schon waren Pläne vorgestellt worden, die eine neue Nutzung des Komplexes oder des Grundstückes vorsahen, bis 2013 allerdings wurde keins der Projekte realisiert.

Besonders an Wochenenden treffen sich in den mittlerweile aufgebrochenen Bauten Jugendliche zu Partys, Paintball-Spieler zu „Battles“ und Rechtsgerichtete zu pseudomilitärischen Spielen und Übungen. Umfangreich angelegte Graffitis, Tags und Wege-Markierungen haben ein neues Zeichen-System innerhalb der militärisch strukturierten Ordnung entstehen lassen. Vandalismus und gezielte Demontagen historischen Bauschmucks nutzen und bewerten den historisch indifferenten Zustand in aggressiver Weise.

2.7. Die Zeit der Nutzung durch die Sowjetarmee

Die Sowjetarmee erreichte den Truppenübungsplatz Ende April 1945. Der Vorstoß des 7. Korps der 3. Garde Panzer-Armee erfolgte am 24.4.45 über Potsdam von Süden her nach Döberitz und schloss damit den Ring um Berlin. Kämpfe gab es um das Gelände nicht. Die folgten erst bei dem anschließenden Vormarsch in östliche Richtung nach Berlin hinein.

Nach der Übernahme der Gebäude, Kasernen und Einrichtungen wurde der Übungsplatz 1945 von den Sowjets an den Dallgower Bürgermeister zurückgegeben, damit sich dort – gemäß des Programmes „Junkerland in Bauernhand“ – Kleinbauern („Neubauern“) ansiedeln konnten. Das Gelände wurde in der Folge parzelliert und landwirtschaftlich bearbeitet. Bereits Ende der 1940er Jahre begann die Sowjetarmee im beginnenden Kalten Krieg jedoch mit militärischem Training auf dem Übungsplatz, was naturgemäß sofort mit den Interessen der Siedler und Bauern kollidierte. Nach mehreren Zwischenfällen mit Sachbeschädigungen, der Tötung einer Bäuerin (1950 erschossen) und willkürlichen Zerstörungen der Ernte gaben die letzten Siedler (von Alt-Döberitz) 1957 ihre Häuser auf und verließen das Gelände.

Den Erinnerungen eines sowjetischen Piloten ist zu entnehmen, dass darüber hinaus bei einer Tiefflug-Übung vom Flugplatz Döberitz aus auch ein DDR-Bürger im Uferschilf der Spree von einem Fahrwerk geköpft worden war. 1960 stellten die Sowjets den Flugbetrieb von Döberitz ein (die Start- und Landebahnen waren für düsenbetriebene Flugzeuge zu kurz) und die Anlage wurde stillgelegt.

Die Stationierung von mehr als 20.000 Soldaten und Offizieren (teilweise mit ihren Familien) führte zwischen Elstal und Dallgow zur Bildung einer eigenen sowjetischen Kleinstadt mit Schulen, Kindergärten, Werkstätten, Kaufhäusern, sozialen, kulturellen und sportlichen Einrichtungen, einem eigenem Krankenhaus, eigener Polizei und einem eigenen Rundfunksender (Elstal (13E01/52N32): 12/3W WSD). Kontakte zur im Umland lebenden Bevölkerung gab es wenig, obwohl eine deutsch-sowjetische Gesellschaft solche Kontakte zu pflegen suchte und zu gewissen Zeiten sowjetische Kaufhäuser und Cafés im Olympischen Dorf auch für Einheimische geöffnet waren. Umgekehrt hatten einfache Soldaten aber nur in Gruppen Ausgang und brauchten selbst innerhalb des sowjetischen Geländes Passierscheine, um vom eingezäunten Areal einer Einheit zu dem der nächsten zu gelangen.

Militärischer Drill, sozialer Druck und Spannungen zwischen den Einheiten – und dort zwischen den Vertretern der verschiedenen russischen Volksgruppen – schufen kein angenehmes Lebensklima. Die Gebäude und Unterkünfte wurden nur selten – und dann nur spärlich – renoviert oder repariert. Nach einer ersten Erweiterung des Olympischen Dorfes um zwölf viergeschossige Blockbauten 1963/68 und der 1980/83 vom DDR-Wohnungsbau abgezweigten Erweiterung mit drei fünfgeschossigen Plattenbauten, war das bauliche Angebot offenbar so groß, dass marode und unbewohnbar gewordene alte Bausubstanz fortan einfach zugemauert und stehen gelassen wurde.

Von den militärischen Einrichtungen des NS-Regimes und den Schießständen auf dem Übungsplatz wurde bis 1992 mit jeder verwendbaren Option auch reger Gebrauch gemacht, so dass einige der nicht benötigten NS-Beobachtungsbunker im Übungsgelände umgekehrt zu ihrer Bestimmung zu Zielobjekten wurden. Die daneben nicht genutzten Bereiche des Übungsplatzes und in den Kasernen wurden vor allem zu Müll- und Schrottdeponien umfunktioniert, denn außer der für Hausmüll reservierten Regional-Deponie am Galgenberg bei Rohrbeck bestand keine legale Möglichkeit zur Entsorgung des in der Garnison angefallenen Mülls. Kurz vor dem Abzug 1991/92 eskalierte das Müllproblem, da nun auch die Rohrbecker Deponie – nach Munitionsfunden – die Annahme sowjetischer Lieferungen verweigerte. In der Folge muss noch heute (2013) davon ausgegangen werden, dass große Mengen von militärischem Schrott und anderem Sperrgut im Übungsgelände vergraben, eingemauert oder anders versteckt ist und dass auch einige der damals versuchten Sprengungen alter Munition nicht vollständig geglückt sein dürften.

Bei der Beräumung eines kleinen Bereiches im Süden des Übungsplatzes (ca. 10% des gesamten Areals) zu dessen Nutzbarmachung für die Bundeswehr wurden 1999-2003 jedenfalls insgesamt 86.922 Stück alter Munition gefunden – von einfachen Gewehrkugeln über Raketenteile bis zu Giftgaskanister (aus dem WK I.). Die Beräumung der aktuellen Wanderwege förderte 8,6 to. Munitionsschrott zutage, darunter 1.435 Granaten, 250 Minen und 7.140 Raketen.


3. Siedlungsgeschichte

3.1. Döberitz

Döberitz (vermutlich abgeleitet von „dobrice“ = gut), ein altes Bauerndorf aus slawischer Besiedlungszeit, lag mitten auf dem Gelände des Truppenübungsplatzes. Seine erste urkundliche Erwähnung ist 1273 zu finden. Es ist eine kleine bäuerliche Siedlung, die bis 1700 häufig Lehnsherren und Besitzer wechselt. Ein Gutshof als Dependance verschiedener preußischer Kleinadliger ist ab 1706 nachweisbar, ab 1713 auch eine massive Kirche. 1753 findet östlich von Döberitz unter Friedrich II. die erste militärische Großübung in unmittelbarer Nähe zum Dorf statt. Die Dorfbewohner leben, ohne direkte Wegeanbindung an größere Orte, abgeschieden von Landwirtschaft und Viehzucht, ab 1772 ist auch eine Schmiede verzeichnet. 1800 sind für Döberitz 26 Feuerstellen eingetragen. Von 1817 bis zur Enteignung 1895 gehörten Döberitz und das benachbarte Ferbitz großteilig der Familie der Holzkaufleute Rogge. Der Umbau des häufig abgebildeten Gutshofes der Familie wurde 1849 begonnen.

1895 wird sämtlicher Grundbesitz von Gut und Dorf vom Militärfiskus eingezogen, die letzten 153 Bewohner werden zum 31.03. des Jahres ausgesiedelt. Das Gut wird allerdings vom Militär noch weiter bewirtschaftet bis 1934. Einige Szenen in dem Film „Der Choral von Leuthen“ von 1932/33 wurden in Alt-Döberitz als Kulisse gedreht und zeigen die Kirche und einige Gebäude des Dorfes. Bildpostkarten des Dorfes waren bei den vor Ort stationierten Soldaten sehr beliebt, verkörperten sie doch den spätromantisch-deutschen und „innigen“ Zusammenhang von Natur, Idylle, Zerfall und Frieden. Der Zerfall war allerdings durch Fehlbeschuss beschleunigt worden. 1936 enteignet der Militärfiskus auch Ferbitz und überschreibt das Gelände dem Übungsplatz.

1945 wird der Truppenübungsplatz von den Sowjets zur zivilen Nutzung an den Dallgower Bürgermeister übergeben und ab 1946 sind im Dorf wieder Neubauern angesiedelt. Die verstärkte Nutzung des umgebenden Geländes durch sowjetisches Militär vertreibt aber immer mehr Siedler, bis der Waffeneinsatz in der Umgebung auch das Leben im Dorf gefährlich macht: Am 11.08.1950 wird eine Bäuerin von einem sowjetischen Posten erschossen; 1957 verlässt die letzte Familie das Dorf.

Raub,- sowie „Rückbau“ und Zerstörung jeglicher Art an Ackerflächen, Weiden, Waldstücken und Gebäuden ließen das Dorf im Laufe der Zeit verschwinden. Außer wenigen Fundamentresten stehen heute (2008) nur noch einige der alten Alleebäume der Dorfstraße. Die Dorfstelle ist vollständig überwachsen.

3.2. Neu-Döberitz

Die mit Döberitz namensverwandte Villen-Kolonie Neu-Döberitz wurde 1903 östlich des Schwanengrabens und des Barackenlagers von dem jüdischen Rechtsanwalt und Justizrat Max Steinschneider gemeinsam mit verschiedenen Geschäftspartnern gegründet, die dort ihr Geld in Grundstücke investiert hatten. Er ließ das Gelände parzellieren und verkaufte diese Baugrundstücke. Der Zuwachs an Häusern verlief nicht gerade rasant, so dass bis 1918 eine eher beschauliche Siedlung mit aber durchaus repräsentativen Bauten entstanden war.

Von 1907 bis 1913 lebte in dieser Siedlung, mittellos aus München zu seinem Kolonie-Bruder Wilhelm zugezogen, auch Dietrich Eckart, der spätere Mitbegründer der NSDAP und Chefredakteur des „Völkischen Beobachters“. Wilhelm Eckart wurde aber von Steinschneider 1913 wegen Fehlverhaltens ausbezahlt und der Kolonie verwiesen. Schwere antisemitische Pöbeleien waren die Folge, beeinflussten die Entwicklung des Ortes aber nicht. 1926 verzeichnet die Siedlung schon 1.289 Einwohner.

1933 muss die Familie Steinschneider fliehen. Die Kolonie wird arisiert und die Anzahl der Bewohner steigt bis 1939 auf 3.220. Im WK II. wird an der Siedlung nicht weiter gebaut, nur Wochenendhäuser (auch als Fluchtmöglichkeiten vor Bombenangriffen) entstehen. Nach Beendigung des Krieges galt das Gebiet als Folge der sowjetischen Militärpräsenz als unattraktiv, so dass die Stagnation sich fortsetzte. Erst der Abzug der Sowjet-Truppen und die Neugründung der Siedlung (Neu-) Neu-Döberitz auf dem Areal des alten Barackenlagers westlich des Schwanengrabens führte zu strukturellen Investitionen und zum Aufschwung der Siedlung ab 2000.

3.3. Jüdische Hintergründe in der neueren Siedlungsgeschichte

Um die Jahrhundertwende erschien es zeitgemäß, dass Familien, die in Berlin zu Wohlstand gekommen waren, sich am Stadtrand oder im Umland Ländereien oder alte Herrenhäuser kauften und diese entweder zu Sommersitzen und Landhäusern umbauten, oder sie diese Investitionen als Geldanlagen verwalteten und vermarkteten.

Auch jüdische Familien folgten dieser Mode und so lassen sich im Bereich des Übungsplatzes Döberitz mindestens zwei solcher Unternehmen nachweisen. Im Westen des Areals kaufte der Berliner Verleger Rudolf Mosse 1892 das alte Rittergut Dyrotz mit 353 ha. und im Osten gründete 1903 der Rechtsanwalt und Justizrat Max Steinschneider die Villen-Kolonie Neu-Döberitz am Schwanengraben in Sichtweite zum Barackenlager und dem Offizierskasino. Einer seiner Geschäftspartner war Wilhelm Eckart, der Bruder des späteren NSDAP-Mitbegründers Dietrich Eckart.

Beide Formen der Investition verliefen bei ihrer Auflegung problemlos und hatten für das Gemeinwohl der ansässigen BürgerInnen positive Folgen. Mosse richtete auf dem Gut ein überregionales Waisenhaus ein und Steinschneider parzellierte sein Gelände und verkaufte Baugrundstücke an Neusiedler. Dietrich Eckart, ein notorischer Antisemit, wohnte von 1907 bis 1913 bei seinem Bruder Wilhelm. Nach der im Streit erfolgten Trennung von Eckart bei der dieser ausbezahlt worden war, wurde die Familie Steinschneider 1913 von beiden Brüdern aufs Übelste mit antisemitischen Parolen beschimpft und bedroht.

1933 müssen beide jüdischen Familien vor den Nationalsozialisten aus Deutschland fliehen und wurden in der Folge enteignet. Ein Teil des Mosseschen Landbesitzes ging in den Besitz des Militärfiskus über und wurde dem Truppenübungsplatz zugeschlagen, andere Teile wurden als kleine Landwirtschaften privatisiert. 1990 klagten die Erben auf Rückgabe. Die Entwicklung des Steinschneiderschen Besitzes ist nicht vollständig aufgeklärt. Angeblich erhielten die Erben einige Grundstücke nach der Wende 1989/90 zurück und verkauften diese. Gütlich belegt ist keiner der Abschlüsse.


4. Folgeerscheinungen der Militärpräsenz

4.1. Die Gefangenenlager und KZ

Wenige Tage nur nach dem Beginn des WK I. wurden nach Döberitz die ersten Kriegsgefangenen gebracht: Es handelte sich um russische Zivilisten, denen die Ausreise aus Deutschland nach Kriegsbeginn nicht mehr gelungen war und die dann – vor allem in Berlin – verhaftet worden waren. Sie wurden provisorisch in einigen zu Schuppen deklassierten alten Wellblechbaracken im Barackenlager untergebracht.
Schon diese Aktion wurde bereits für die Kriegspropaganda funktionalisiert: Verhaftung und Unterbringung waren fotografiert worden und die Fotos wurden 14 Tage nach Kriegsbeginn bereits publiziert.

Nach den anfänglich schnellen Siegen der deutschen Truppen wuchs die Zahl der zu versorgenden Gefangenen rapide an und die provisorischen Unterkünfte in direkter Umgebung des Barackenlagers wurden in der Folge schnell unzureichend. Bereits im Herbst 1914 entstand auf dem Areal des späteren Neulagers, einer westlichen Erweiterung des Barackenlagers, eine Zeltstadt, in der vor allem Engländer untergebracht waren. Der nahende Winter und die exponential steigende Zahl an Gefangenen zwang die Militärverwaltung zeitgleich dann aber zum Bau von zwei separaten Gefangenenlagern, einem bei Dyrotz im Nordwesten des Übungsplatzes und einem auf eilig von der Rohrbecker Gemeinde hinzugekauftem Grund östlich des Galgenberges. Der Bau der Holzbaracken in beiden Lagern wurde vorallem von kriegsgefangenen Engländern ausgeführt, wie auch die zuvor realisierte Erweiterung des Barackenlagers um das soldatische „Neulager“. Dort wohnten die Gefangenen vorübergehend auch auf der Baustelle – weiterhin in Zelten oder in bereits fertig gestellten neuen Baracken für die Soldaten, sie wurden aber nach Bauabschluss im Frühjahr 1915 sofort in die von ihnen selbst erstellten Gefangenenlager umgesiedelt.

Bauten und Unterbringung, sowie Gruppen der verschiedenen in den Lagern untergebrachten Nationalitäten wurden gerne fotografiert und die Bilder als Postkarten sowie in „wissenschaftlicher“ Literatur umfangreich publiziert. Dabei ging es um die propagandistische Darstellung der vorgeblich korrekten und menschenwürdigen Versorgung der „Feinde“ und gerne wurde der Versuch unternommen, solche Einrichtungen der Lager im internationalen Vergleich als vorbildlich zu kennzeichnen. Alle kriegsbeteiligten Nationen handelten hier ähnlich. Selbstverständlich waren alle diesbezüglichen Abbildungen sorgfältig ausgewählt, retuschiert und im Ausschnitt so korrigiert worden, dass Verstöße gegen das internationale Recht der Genfer Konvention darauf nicht nachzuweisen waren.

Parallel dazu begann man in den deutschen Gefangenenlagern mit der „völkerkundlichen“ Erfassung der gefangen genommenen Vertreter verschiedener Nationalitäten. Neben der Dokumentation von deren Physis wurden auch kulturelle Aspekte wie Liedgut, Sprache oder Tänze mit diversen Apparaturen aufgezeichnet, wobei von besonderem Interesse die kolonialen französischen und englischen Kriegsgefangenen waren. Diese waren in Karikaturen der Zeit häufige Opfer von extrem rassistischen und fremdenfeindlichen Angriffen. Darüber hinaus stellten alle Gefangenen auch ein beliebte „Währung“ dar, mit der man im Tausch eigene Soldaten, wirtschaftliche Güter oder Dienstleistungen international „bezahlte“. Auch diese Gepflogenheit wurde von allen kriegsteilnehmenden Staaten gleich gehandhabt. Die Beschäftigung der Gefangenen bestand aus Zwangsarbeiten in der Land- und Forstwirtschaft, dem Eisenbahn- und Tiefbau und, besonders im Rohrbecker Lager, im Einsatz in einer nahegelegenen Kiesgrube – der späteren Deponie am Galgenberg. Kommunikation und Post der Gefangenen wurden überwacht und zensiert, Zuwiderhandlungen nach militärischem Recht geahndet. Die Lager in Dyrotz und Döberitz/Rohrbeck bestanden bis zu Beginn der 1920er Jahre und hatten allein bis Mitte 1918 mehr als 30.000 Gefangene aus 7 Nationen unterzubringen gehabt. Die Baracken wurden vermutlich in der Mitte der 1920er Jahren abgerissen oder aus hygienischen Gründen niedergebrannt.

In der Nähe des Rohrbecker Lagers befand sich ein Gefangenenfriedhof, auf dem bis Kriegsende die 305 in beiden Lagern verstorbenen Gefangenen beigesetzt worden waren. Kurz vor Kriegsende wurde 1918 dort auch ein von einem gefangenen französischen Bildhauer geschaffenes Denkmal aufgestellt.

Während des WK II. befand sich auf dem Döberitzer Gelände im Süden bei Krampnitz ein Gefangenenlager. Die männlichen Kriegsgefangenen wurden bei der Schlussausrüstung der Waffen in Panzern eingesetzt. Zudem sind ab 1944 zwei Außenstellen von Konzentrationslagern für ZwangsarbeiterInnen gesichert überliefert. Eine Satellitenanlage von Sachsenhausen für Männer und eine vergleichbare von Ravensbrück/Uckermark für Mädchen in Dallgow. Die Lager waren klein; interniert waren jeweils etwa 100 ausgesuchte Personen, die vermutlich in der Munitionsproduktion oder -manipulation für den Testbetrieb von Waffen auf dem Übungsplatz beschäftigt waren. Die Orte ihrer Unterbringung sind nicht eindeutig geklärt, da es außer wenigen Zeugenaussagen keine weiteren Unterlagen darüber mehr gibt. Diese wurden vernichtet. Die Existenz der Lager ist allerdings unbestritten. Ein drittes Lager für russische ZwangsarbeiterInnen befand sich ebenfalls in Dallgow bei einem privaten Unternehmer.

Zeugenaussagen schildern, dass ab 1944 in der alten Kiesgrube, südlich der späteren Deponie, häufig Leichen dürftig bekleideter und abgemagerter Menschen verscharrt worden sind. Überprüfbare Unterlagen darüber gab es bis 2010 nicht. Spielende Kinder waren offenbar Zeugen der teilweise einfach abgeworfenen Holzsärge geworden. Eine offizielle Untersuchung der Fälle wurde nie vorangetrieben und mit dem Abschluss der Sanierungsmaßnahmen an der Deponie 2006 und ihrer Erdaufstockung auf 35 m Höhe ist die Möglichkeit für die Verifizierung der Aussagen mittlerweile für diesen Ort nicht mehr gegeben. Nach Öffnung der alten sowjetischen Archive konnten die Zeugenausagen verifiziert und lokalisiert werden (s.u.).

4.2. Friedhöfe und Gräber

Bereits kurz nach der Jahrhundertwende wurde südlich der Berlin-Hamburger-Chaussee und westlich des evangelischen Gemeindefriedhofes Dallgow im Dragonerwald ein Garnisonsfriedhof eingerichtet, auf dem Mitglieder der „Militärgemeinde“ Döberitz – also in Döberitz verstorbene Soldaten – beigesetzt wurden. Waren laut Literaturangabe bis 1936 schon „zahlreiche“ zusammengekommen, so wurden es während des WK II. nicht nur noch deutlich mehr, sondern auch die Zahl der Bestattungsplätze in der Umgebung des nördlichen Übungsplatzes nahm deutlich zu. Ab 1941 wurden dort auch zu Tode gekommende Kriegsgefangene beigesetzt.

Eine nächste Gruppe von Gräbern erweiterte die Anlage, als man begann, die über Berlin abgeschossenen Besatzungen feindlicher Flugzeuge zuerst im Standortlazarett – dem ehemaligen Speisehaus der Nationen – zu obduzieren und zu sezieren und dann deren Leichname ebenfalls auf dem Garnisonsfriedhof zu beerdigen. Nicht zu identifizierende Leichen wurde neben den registrierten Kameraden dann namenlos, aber immerhin noch in Einzelgräbern bestattet. 1942 war die Belegkapazität des Geländes erschöpft und einer neuer Friedhof musste angelegt werden.

Ab Sommer 1942 wurden südwestlich des Gefangenenfriedhofs und östlich vom Olympischen Dorf dann Zwangsarbeiter aus den KZ-Außenstellen in Döberitz, Dallgow und dem Stalag III D in neu angelegten Massengrabanlagen bestattet, hinzu kamen die Besatzungen abgeschossener englischer und amerikanischer Fliegereinheiten. Insgesamt wurden dort etwa 2.000 Menschen beerdigt; eine genaue Zahl ist allerdings nicht mehr genau zu eruieren (siehe hierzu: Zur Geschichte der Döberitzer Heide, Supplemente #11: Diana Franz-Schönfeld / Andreas Krüger / Martin Conrath, Die Gräber sowjetischer Kriegsgefangener auf Döberitzer Friedhöfen 1941-45). Die dort ebenfalls bestatteten (mindestens) 56 standrechtlich erschossenen Deutschen wurden zusammen mit den übrigen deutschen Soldaten vom Döberitzer Friedhof 1947 zum Soldatenfriedhof nach Halbe überführt und dort beigesetzt. Am Kriegsende fanden dort auch Opfer des Luftkrieges aus der Umgebung ihre letzte Ruhestätte. So konnten 1946 von amerikanischer Seite noch 115 Tote dort exhumiert werden, von denen 35 auch zu identifizieren waren. Alle wurden in die USA überführt. Die Angehörigen der Royal Air Force wurden ebenfalls exhumiert, aber auf dem Ehrenfriedhof des Commonwealth an der Heerstraße beigesetzt. Für die um Dallgow gefallenen Russen wurde nach 1945 auf dem Areal des evangelischen Gemeindefriedhofs ein sowjetischer Ehrenfriedhof eingerichtet, auf dem bis 1990 noch zusätzlich 187 Soldaten beigesetzt worden waren. Nicht alle dort Bestatteten wurden später auch nach Russland zurückgebracht. Darüber hinaus sind 200 deutsche Kriegsgräber aus den letzten Kriegstagen auf demselben Friedhof zu finden und auf dem unweit östlich gelegenen Seeburger Friedhof nochmals 70.

Soldaten von mit dem NS-Regime verbündeten Kampfgruppen, die im Olympia-Lazarett (Reserve-Lazarett 101) behandelt, aber verstorben waren, wurden ebenfalls auf dem Garnisonsfriedhof beigesetzt. Einige waren nach dem WK II. umgebettet oder in ihre Heimatländer zurück gebracht worden, viele aber aus unterschiedlichen Gründen nicht mehr.

Um 1947 wurde der Garnisonsfriedhof von der Sowjetarmee eingeebnet, ungeachtet der Tatsache, dass dort durchaus noch intakte Gräber vorhanden waren. Heute sind an dieser Stelle nur noch mit Mühe Hinweise – beispielsweise Reste von Grabumrandungen – im überwucherten Gelände zu finden.

Der 1914 angelegte Gefangenenfriedhof nördlich der heutigen Deponie bei Rohrbeck existiert dagegen im Schatten der Mülldeponie wenigstens noch in ungefähren Umrissen. Zwar sind die meisten der 305 während des WK I. dort Bestatteten bereits um 1920 in ihre Heimatländer umgebettet worden, aber auch hier liegen heute (2008) noch Tote. So weigerte sich die UdSSR beispielsweise, die dort beerdigten Russen aus dem WK I. zu überführen mit der Begründung, die Verstorbenen seien keine Sozialisten oder Kommunisten, sondern nur zaristische Soldaten gewesen.

Östlich vor dem Standortlazarett auf dem Gelände des Olympischen Dorfs waren in den letzten Kriegstagen etwa 40 Tote beerdigt worden, da deren Transport zu den nahe gelegenen Friedhöfen unmöglich, weil zu riskant eingeschätzt geworden war. In der Umgebung der Kasernen begruben die Sowjets direkt nach dem Ende der Kämpfe im April 1945 vereinzelt auch Angehörige ihrer Streitkräfte am Ort deren Todes, so dass sich einzelne Gräber, von deren Lage Handskizzen angefertigt wurden, auch am Rand der Kasernengelände und außerhalb der Friedhöfe finden lassen.

Viele Grabstellen, in denen bis heute (2012) noch Verstorbene oder Gefallene bestattet sind, sind zwar nicht mehr als solche gekennzeichnet, aber sie befinden sich durchaus noch an ihrem historisch einmal vermerkten Ort. Die meisten wurden aber trotz aller Aktenvermerke schlicht vergessen. Nur auf dem Gefangenen- und dem Garnisonsfriedhof haben bewusster Vandalismus und Ignoranz dafür gesorgt, dass intakte Gräber auch wissentlich verschwanden. Der Gefangenenfriedhof bot dafür 2008 ein besonders makaberes Bild: Zwischen ausgehobenen Grabstellen und Grabsteinresten befinden sich zusätzlich Reste von in den letzten Kriegstagen angelegten Schützengräben. Beide Formen der Ausschachtung werden aktuell von Kindern und Jugendlichen der umliegenden Gemeinden als Abenteuerspielplatz genutzt; ein Bewusstsein für den Ort gibt es nicht.

4.3. Denkmäler auf dem Gebiet des Übungsplatzes

Nach Etablierung des Übungsplatzes entstanden auf dem Areal und an den Militärbauten eine große Zahl von militärhistorisch begründeten Gedenkstätten, Denkmälern und ikonografisch geprägtem Bauschmuck sowohl in den Kasernenbereichen als auch und vor allem auf dem nördlichen Bereich des Übungsplatzes, der in der frühen Zeit der Nutzung bis etwa 1930 für Sport, Freizeit und Erholung der Soldaten reserviert und eingerichtet war.

Die Lokalisierung der fotodokumentierten Denkmäler ist nicht mehr in allen Fällen präzise möglich, da sie auf vielen Ansichtskarten vom Übungsplatz nicht oder später nicht mehr vermerkt worden war. Eine Vielzahl der Denkmäler, im Besonderen aber alle aus der NS-Zeit, wurde in der Zeit der sowjetischen Nutzung des Areals zerstört.

Den Anlass für die üppige Denkmalkultur vor Ort gab vermutlich Wilhelm II. 1903 mit der Stiftung des ersten Denkmals, dem Obelisk am Hasenheideberg. Dieser erinnerte an das erste Großmanöver 1753 unter Friedrich II. in der Döberitzer Heide und in behaupteter historischer Kontinuität an jenes, das 150 Jahre später 1903 unter ihm selbst abgehalten worden war. Beschädigt und etwas mitgenommen hat der Stein bis heute (2008) überdauert. Nach dieser Stiftung entstanden, zum Teil mit spärlichsten Mitteln, etwa zehn vielgestaltige und zum Teil recht dilettantische Gedenkorte, die alle ausschließlich der Erfüllung oder dem Scheitern unter militärischer Obhut stattgefundener Operationen gewidmet waren. Sie bestanden häufig in der Akzentuierung von Findlingen mit Inschriften vor Ort. Da aber niemand anderes als das militärische Personal die Stätten nach 1933 zu Gesicht bekam, waren sie ansonsten bis auf ihre Abbildung auf Postkarten unbekannt.

Die während der NS-Bauzeit eingerichteten Bildstätten sind zahlenmäßig dagegen spärlicher. Noch nachweisbar sind eine bronzene Ikarussäule im Gedenken an Otto Lilienthal, ein Gedenkstein für Manfred v. Richthofen, beide im Fliegerhorst aufgestellt, ein Korporalsbrunnen im Hof der Löwen-Kaserne, ein bronzener Bogenschütze in der Flakkaserne und ein Dietrich-Eckart-Gedenkstein mit eigenem Hain in der Umgebung von Neu-Döberitz und an der Berlin-Hamburger Chaussee gelegen. Diese Denkmäler sind alle zerstört.

Die im Innern der Kasernen angebrachten Gedenktafeln, Reliefs, Wandmalereien und Bronzen, besonders die omnipräsenten Adolf-Hitler-Porträts verschwanden schnell schon in der ersten Tagen nach Kriegsende – viele davon in die umliegenden Gemeinden. Nur im Hindenburghaus hat das Hindenburg gewidmete Wandrelief von 1936 hinter einer Verschalung auch die Sowjetzeit überdauert; es wurde 2006 wieder freigelegt.

Die Sowjetarmee hinterließ nur drei leere Denkmalsockel. Den eines Panzerdenkmals im Innenhof der Löwen-Kaserne, exakt an der Stelle, an der der Korporalsbrunnen gestanden hatte, einen gleichen auf dem Paradeplatz im Neulager (1998/99 abgerissen) und einen für eine Juri-Gagarin-Büste in der Nähe des Kommandantenhauses der Löwen-Kaserne, an einem von den Sowjets neu gebauten Ladenlokal.

4.4. Cafés, Restaurants und Lokale

Stets entstanden um militärische Standorte herum eine jeweils größere Anzahl von unternehmerischen, außerhalb der Kasernen liegenden Vergnügungsstätten und stets gehörten zu diesen bevorzugt Cafés, Kneipen, Trinkhallen sowie Restaurants hinzu. Auch um den Truppenübungsplatz Döberitz, besonders natürlich zu Beginn des Betriebes dort um 1900, kam es in der Nähe des Barackenlagers verstärkt zu Neugründungen oder zu Erweiterungen von bestehenden Lokalitäten, da gerade in den Sommermonaten in vier- bis sechswöchigem Wechsel Rekruten und Reservisten in großer Zahl präsent und ob ihres Dienstes in der gerodeten Heidewüste auch durstig waren.

Die ältesten Lokale, die davon profitierten, waren die alteingesessenen Dorfschenken und Dorfkrüge und der davon vor Ort als ältester nachweisbare war der „Sperlingskrug“ nördlich der Berlin-Hamburger-Chaussee am Abzweig nach Rohrbeck. Er war und blieb ein einfacher Landgasthof, während andere Etablissements vor Ort sich umgehend in Hotels mit gehobener Restauration verwandelten. Die Namensgebung dieser sich nun besser wähnenden Lokale wurde deutschnational und preußisch ausgerichtet und ergab dann einen „Deutschen Kaiser“, die „Bismarckhöhe“, ein „Sanssouci“, ein „Hohenzollern“ oder den „Prinz Heinrich“ und passend für die kaiserlichen Jagdgesellschaften wurde 1907 das noble „St. Hubertus“ in Dallgow errichtet. Deutschnational krakeelt wurde dort vereinzelt auch schon vor Beginn des WK I.

Bis 1936 verschwanden einige dieser Kneipen, andere wurden umbenannt wie der „Olympische Krug“ in Rohrbeck, der vorher „Gasthof Kluchert“ und zwischenzeitlich dann „Gasthof zum Kronprinzen“ geheißen hatte, die Gesamtzahl blieb aber hoch. Allein in Neu-Döberitz werden 1939 27 Lokale gezählt. Das Publikum blieb dabei dennoch das gleiche, handelte es sich doch immer um einfachere Soldaten. Den Offizieren hatte man jeweils elegante Kasinos, teils mit eigener Weinstube gebaut, sicher auch vor dem Hintergrund, dass deren Gelage damit nicht in die Öffentlichkeit dringen konnten.

Der WK II.und die im Anschluss restriktiv ausgeübte Ausgangspolitik der Sowjetarmee den eigenen Soldaten gegenüber sorgten für einen schnellen Abbau dieser Form der Vergnügungskultur und ließ die Zahl der Gasthäuser stark schrumpfen. Ungezählt waren dafür nach 1992 die vorher LKW-weise abgekippten Berge leerer Schnapsflaschen dann auf dem Übungsgelände verteilt.

Das letzte Lokal dieser historischen Ausrichtung auf Militärs war das im Olympischen Dorf gelegene sowjetische Café „Erholung“, ein Neubau der 1970er Jahre, unterhalb des Hauses Berlin, resp. (Speise-)Haus der Nationen, resp. Standortlazarett, resp. Haus der „Sowjetischen Sportclubs“, das an Wochenenden auch für die BürgerInnen aus der Umgebung geöffnet war. Russische Waren konnten dort auch erworben werden. Die maroden Reste dieser Lokalität wurden Ende März 2008 eingeebnet um die historische und seit 1998 denkmalgeschützte Blickachse aus der Dorfaue hinauf zum „ursprünglichen“ Haus der Nationen wieder zu gewährleisten.


5. Bildzeugen

5.1. Fotos, Bild- und Ansichtspostkarten

Mit geringem zeitlichen Abstand zur rasant verlaufenden Industrialisierung der Druck- und Bildtechniken am Ende des 19. Jahrhunderts folgte deren Einsatz und Vermarktung für private Zwecke. Einerseits war die Anfertigung von privaten Fotografien in nicht mehr nur Einzelauflagen, sondern als „Carte de Visite“ bereits seriell gefertigt ebenso erschwinglich geworden wie sie modisch angemessen erschien, wie andererseits Kleinst- und Kleinunternehmer versuchten, öffentlich interessante und relevante Bildmotive als Andenken günstig anzubieten.

Der postalische Versand solcher Bildkarten wurde in Europa bis 1878 fast überall zugelassen und sogleich rege und kreativ genutzt. Bereits 1905 beförderte die deutsche Post mehr als eine halbe Milliarde solcher Karten.

In den knapp 50 Jahren vom Zeitpunkt der Einrichtung 1896 bis zum Ende der deutschen Nutzung des Truppenübungsplatzes 1945 sind gut 500 verschiedene Bildkartenmotive nachweisbar, auf denen Gelände, Einrichtungen, Personen und Ereignisse gezeigt werden, die in direkter Verbindung mit der militärischen oder höfischen Nutzung des Areals standen. Die letzte intensive Verbreitung mit hohen Auflagen fanden Karten aus dem Olympischen Dorf von 1936. Danach, und im Besonderen während des WK II. tauchen nurmehr vereinzelt neue Motive auf. Nach der Übernahme des Geländes und der Einrichtungen durch die Sowjetarmee ab 1945/47 verschwanden Ansichts- und Bildpostkarten vom Übungsplatz Döberitz vollständig aus dem Postverkehr.

Bis etwa 1930 richteten mehrere Fotografen in unmittelbarer Nähe zum Übungsplatz oder dem Barackenlager ihre Ateliers ein, teilweise – lizensiert durch die Lagerkommandanten – auch direkt in Einrichtungen des Heeres. Etwa 10 verschiedene Ateliers und/oder Verlage sind nachweisbar.

Motivvielfalt und Kontinuität der Nutzung zeichnen nicht nur ein differenziertes Bild soldatischer Selbstrepräsentation; darüber hinaus geben die vorwiegend handschriftlichen Mitteilungen auf den verschickten Karten aufschlussreiche Informationen über Befinden, Wünsche, Lagerleben und Dienste in den kaiserlichen Truppen, der Reichswehr und der Wehrmacht. Zu diesen Mitteilungen zählten auch verschlüsselte, die in Kurzschrift, individuellen Kodierungen oder der sog. „Briefmarkensprache“ abgefasst wurden: die Bereitschaft zu offenen Mitteilungen war stets durch die Vorsicht vor der allgegenwärtigen Zensur beeinträchtigt – als Vorsicht vor dem „Feind“ und besonders in Kriegszeiten.

Seit den 1930er Jahren tauchen zusätzlich zu solchen Karten als auswertbare Bildquellen auch vermehrt Privatfotos auf, die von Soldaten bei Übungen, Gemeinschaftsabenden oder in ihrer Freizeit gemacht oder die von geladenen Journalisten vor propagandistischem Hintergrund angefertigt worden waren. Die Zeit von 1945 bis 1992, in der die Döberitzer Einrichtungen durch die Sowjetarmee genutzt wurden, lässt sich mit nur geringen Ausnahmen auf Pressefotografien sogar nur ausschließlich mit privaten Fotos nachzeichnen. Vorhandenes, offizielles Archivmaterial steht öffentlich nur mehr in Ausnahmefällen zur Verfügung; die Archive auf russischer Seite wurden 2003 aus politischen Gründen geschlossen.

5.2. Humor im militärischen Kontext

Der etwas krude militärische Humor wurde auch in den Döberitzer Kasernen besonders jeweils vor den Kriegen gepflegt und auch gerne dokumentiert.

So existieren unzählige fotografische Bildpostkarten (meist datiert vor 1914) auf denen Soldaten in gemalten Flugzeug- und Zeppelinattrappen für Gruppenfotos posierten. Sich der doch reichlich instabil aussehenden Flugapparate und deren häufiger Bruchlandungen bewusst, machten sich besonders niedere Ränge des Militärs auf diese Weise lustig über die neuen Erfindungen, die gerade ihnen aber auch Chancen boten: Da die kaiserlichen Offiziere praktisches Arbeiten ablehnten und solche Anforderungen gerne an Untergebene delegierten, gelang es zuerst besonders ehrgeizigen bürgerlich-stämmigen Militärs, sich früh als Piloten zu profilieren. Erst nachdem diese militärisch auch erfolgreich und ausgezeichnet worden waren, rückten Adlige als Piloten nach.

Eine weitere Quelle humoristischer Blder boten während des WK I. die beiden Gefangenenlager in unmittelbarer Nähe zum Truppenübungsplatz. Ausgelöst durch den Kriegseinsatz kolonialer Truppen auf der gegnerischen französischen und englischen Seite und im Angesicht der dann exotisch wahrgenomenen Kriegsgefangenen, kursierten rassistische und fremdenfeindliche Witzzeichnungen und Karikaturen, die auch in einem Tornister-Lesebändchen gesammelt 1916 gedruckt wurden.

Nach dem Kriegsende war niemandem mehr zum Lachen zumute und erst 1930 erschien wieder eine Dokumentation über Döberitz, die auch eine humoristische Abteilung bot: Der „Geschichtliche Abriss“ von Paul Deickert. Der dort kolportierte Humor war allerdings harmloser und simpel anekdotenhaft, indem er – nationalistische Stimmungen geschickt ausnutzend – den preußischen Drill „liebevoll“ aufs Korn nahm. Diese Indifferenz der Zielsetzung blieb dann auch später erhalten. Von den servilen Illustrationen der Olympia-Broschüren bis zu den Macho-Selbstinszenierungen auf Fotos aus der sowjetischen Nutzungszeit ist in den überlieferten Bildern niemals sicher auszumachen, wem der mitgeteilte Witz eigentlich galt: dem, der karikiert dargestellt worden war, oder dem, der das Dargestellte nicht verstehen konnte.

5.3. Kitschpostkarten

Die pathetisch-kitischige Überhöhung von Liebe und Tod, Heimat und Fremde, sowie Freund- und Feindschaft bildeten den Hintergrund der Motive für die meisten dem zeitgenössischen Geschehen deutlich abgewandten Kitschkarten, die Soldaten und ihren Angehörigen angeboten wurden. Üblich und gerne benutzt wurden solche Karten bis etwa 1918.

Während der Kriegszeiten erhielten die bespielten Genres zusätzliche Dynamik und Dramatik durch ihre Kopplung an Vaterland, Ruhm und Ehre. Beliebt waren filmsequenz-verwandte Bildserien, die in der Summe fast wie Daumenkinos zu benutzen waren und mit denen über angedeutet erotische Momente identifikatorische Szenen zwischen Adressat und Absender leicht zu bespielen waren. Dies gelang in der Projektion besonders gut gerade weil die Szenen erkennbar nachgestellt wirkten und diente dem Selbstschutz. Ergänzt wurden diese Rollenspiele durch die Verwendung der „Briefmarkensprache“ zur Verschlüsselung indirekter intimer Mitteilungen, die besonders bei Verliebten (bis etwa 1940) gerne Verwendung fand.

Es erschien in der Zeit weder üblich noch angemessen, sich als Paar beispielsweise beim Kuss von einem Fotografen ablichten zu lassen. Das mussten dann ersatzweise kostümierte Models leisten. In holprigen Vierzeilern auf der Bildseite knüpfte sich die Sehnsucht nach einem Zusammensein an Schlachtengewinn und Sieg: Auch Zuneigung und Liebe waren damit zu einem vaterländischen Dienst umgewidmet worden.

Nach dem WK I. verschwand diese Art der Soldatenromantik verständlicherweise als Kommunikationsform. Angedeutet hatte sich das bereits in den Mitteilungen auf den verschickten Karten selbst. Die Texte enthielten mehrheitlich Bitten um Nahrungsmittel, Kleidung und Geld, gekoppelt an den Wunsch nach dem Wiedersehen, zu dem es für viele dann nicht mehr gekommen war. Das romantische Motiv war als Ansichtskarte damit aber nicht vollständig verdrängt worden. Ab 1920 etwa tauchen verstärkt Karten auf, die das „verträumt zerfallende“ Dorf (Alt-)Döberitz vor Ort thematisieren und im Motiv der dort entstehenden Ruinen dann den Krieg und dessen Folgen als natur- und zeitgegeben neutralisierten.

6. Rezeptionsgeschichte (Erweiterte Druckversion als PDF)

Neben sporadischen, aber wiederkehrenden Hinweisen auf die Besitzverhältnisse in und um Döberitz vor 1850, werden militärische oder gesellschaftliche Ereignisse im Lager oder auf dem Übungsplatz in der Tagespresse seit 1895 regelmäßig öffentlich mitgeteilt. Diese Artikel befassen sich mit der Beschreibung von Übungen, Zutrittsbeschränkungen zum Gelände für Zivilpersonen oder der Vorstellung neuen militärischen Geräts. Bereits um 1900 tauchen aber auch die ersten Publikationen auf, die über die affirmative, journalistische Berichterstattung hinaus den Themenkomplex „Döberitz“ auch literarisch gewendet ins Auge fassen. Dabei sind auch erste kritische Töne zu vernehmen und in der Folge hinterlässt Döberitz in der fiktionalen Literatur seit dieser Zeit eher ironische Spuren. In Essays, zuerst nur ergänzt durch fotografische Abbildungen, differenzieren Text und Bild als Medium der Reflexion seit dem Kriegsbeginn 1914 mit dokumentarischem Anspruch eine eigene publizistische Souveränität. Zuvor entdeckt aber auch bereits die Werbung „Döberitz“ als Image: Der Zigarettenhersteller Kadda bringt um 1910 die Marke „Döberitz“ auf den Markt; sie wird mit Reklamemarken und -verpackungen landesweit beworben. Grundlage der Technik, überall günstig mehrfarbige Bilder auch drucken zu können, war die nach der Fotografie rasch folgende Vervielfältigungstechnik einer Kombination aus Rastertechnik und mehrfarbiger Lithografie. Um 1896/97 tauchen in dieser Konsequenz die ersten Bildpostkarten mit gezeichneten Motiven des Lagers, einzelner Militärbauten oder Bildern des Dorfes Döberitz im Handel auf. Sie gehen zurück auf die Initiativen ortsansässiger Restaurant-Inhaber, deren häufigste Kunden Offiziere und Soldaten aus dem Truppenlager waren. Private Fotografen folgen diesem Trend als Kleinunternehmer und bleiben bis Ende der 1930er Jahre vor Ort aktiv. Bis Anfang der 1940er Jahre lassen sich in der Summe deswegen gut 500 verschiedene Motive für Bildpostkarten nachweisen, die noch heute einen virilen Sammlermarkt versorgen. Frühe lithografierte Ansichten des Lagers finden vor 1914 auch Verwendung auf Andenken und lassen später – in Beschreibungen – diese fast als Devotionalien erscheinen: Trinkgläser, Kaffeetassen, Aschenbecher oder Salzstreuer werden aufwändig dekoriert angeboten und gekauft. In den frühen 1930er Jahren tauchen auf dem damals neuen Markt der Sammelbilder (vorallem in Schokoladen- und Zigarettenverpackungen) vereinzelte Motive auf, die Übungen militärischer Einheiten in „Döberitz“ zeigen; nach 1933 selbstverständlich auch mit NS-propagandistischem Inhalt.

Erste dokumentarische Filmaufnahmen entstehen bereits 1917 im Zusammenhang mit der kaiserlich angeordneten Kriegspropaganda. Die öffentliche Wirkung ist jedoch gering. Bis Mitte der 1930er Jahre hatte sich in Döberitz dann aber bereits ein regelrecht professioneller Betrieb für Komparsen, Szenografie und Technik etabliert, bei dem die jeweils stationierten Soldaten eine immer größere Bedeutung als Statisten in mehr als zehn nicht nur in Deutschland gut besuchten Spielfilmen bekamen; sie mussten in tatsächlich parallelen Welten ihre Rollen als Befehlsempfänger nun doppelt spielen. Erst 1942 wird die Produktion dort kriegs- und finanzbedingt eingestellt.

Auch bildende Künstler haben sich nachweislich ab 1914 mit Döberitz befasst: Anfänglich nur eigenverantwortlich als rekrutierte soldatische Künstler-Privatiers in ihrer dienstfreien Zeit und in eigenem Auftrag arbeitend, später dann, in Kriegszeiten, mit entsprechend propagandistischem und dann offiziellem Auftrag. Es entstanden Zeichnungen, Illustrationen und Gemälde, die häufig in Form von Bildpostkarten („Künstlerpostkarte“) auch vervielfältigt wurden. Sie zeigten, oder sie sollten zeigen, die Bewegung „von unten“.

Der rein applikative und dekorative Bauschmuck, der in den Phasen der Neu- oder Erweiterungsbauten der Döberitzer Kasernen in der Zeit von 1934 bis 1944 die Gebäude und deren Inneneinrichtung kulturell und national mit deutlich gefälschter Geschichte „erden“ sollte, muss mit seinen – historisch rudimentären, aber durchaus intriganten – Bezügen deswegen auch reflexiv gedeutet werden: Die Staffagen wurden als illustrative Geschichts-Fiktion produziert und waren von Beginn an historisch falsch. Ihre Wirkung verfehlten sie gegenüber den auszubildenden Soldaten dennoch nicht. Die befanden knappe 40 Jahre lang in Briefen aus Döberitz formelhaft und mehrheitlich, sie seien dort im Urlaub in der Sommerfrische. Aus der Bewegung „von unten“ war eine Suggestion „von oben“ geworden. Noch größere Wirkung erzielten solche Formen der fiktiven Geschichtsillustration dann allerdings von ihrer unabhängig von Döberitz unmöglich noch zu falsifizierenden Darstellung: In zahlreichen Werbeschriften des NS-Regimes, die mit durchaus krimineller Energie im Auftrag und mit Wissen um die Fälschung der Fakten über Döberitz und dessen Geschichte produziert wurden, erschien das Bild eines heldenhaften Heeres, dessen systematische Ausbildung bereits von Friedrich dem Großen in Döberitz initiiert worden war, und dessen Erfolg in der Schule des „Döberitzer Idylls“ begründet läge. Nichts außer dem Drill war davon wahr.

Aus der sowjetischen Nutzungszeit von 1946–92 blieben nach der Wende nur noch kurzfristig einige große propagandistische und mehrheitlich kitschige Wandgemälde erhalten, die aber durchaus mit künstlerischen Anspruch – und in offiziellem Auftrag – angefertigt worden waren. Ihre geschichtsträchtigen Motive waren jedoch ebenso gefälscht wie die der vorherigen Machthaber, einzig die Ähnlichkeit der Döberitzer Heide mit russischen Birkenwäldern lies wenigstens in einigen Räumen athmosphärisch-stimmige Wandmalereien entstehen. Keine Konservatorin, kein Konservator wollte sie nach 1992 aber erhalten.

Nach dem Abzug der russischen Truppen wurden vor allem die dann leer stehenden Kasernen gerne als professionelle Film- oder Videokulisse genutzt. Location-Scouts hatten sie schnell als gewinnbringend ausgemacht. Daneben boten sie im Mehrnutzen auch Gelegenheiten für ambitionierte Hobbyfotografen, die mit großem Engagement noch bis heute kontinuierlich und in unzähligen Fotoblogs im Internet Zeugnis ihres andauernden Interesses an morbiden, geheimnisvollen oder „verlorenen“ Orten dokumentieren. Darin schließen diese häufig unreflektierten Gelegenheitsbilder an jene aus den 1920er Jahren vom zerfallenden Dorf Döberitz an und schreiben die Geschichte vom „romantisch schönen Schein des Zerfalls“ als Unwissen über eine konkrete Geschichte fort. Auch das journalistisch-literarische Genre erfreute sich zeitgleich einer zeitgemäßen Neuauflage: In vielfältigen Internet-Diskussionsforen wurden seither in unvorstellbarer Zahl „threads“ um das Geheimnis „Döberitz“ erstellt, häufig hoch spekulativ und nur gerüchtehalber, meist aber mit pseudo-militärgeschichtlichem Hintergrund und mit ideologisch fragwürdiger Zielsetzung. Selbst ein Computerspiel nutzt „Döberitz“ seit 2003 als virtuelles Trainingsgelände. Die aus den daraus folgenden Besuchen hinterlassenen Beschädigungen vor Ort sind allerdings wenig virtuell.

In Aufhebung der ehemaligen Parallelwelt „Döberitz“ durchdringt nach 1992 der bald 100-jährigen Historie zunehmend eine kollektive Fiktionalisierung des Themas die öffentliche Geschichtsschreibung. Von wissenschaftlicher Seite wird dieser Tendenz derzeit nichts entgegen gesetzt, so dass – vergleichbar mit der Situation nach 1945 – Mechanismen wie Verdrängung und Vertuschung oder Legendenbildung und Verharmlosung ungehindert publizistisch weit gestreut in Umlauf gebracht werden können. Eine Ende ist um so weniger in Sicht, als bundesdeutsche Institutionen, um die betreffenden Inhalte angefragt, diese grundsätzlich der „Heimatforschung“ zuordnen und sie damit bagatellisieren. Allein diese knappe Zusammenfassung der noch virulenten Rezeption von „Döberitz“ reicht aber bereits aus, um eben jene Geste zu widerlegen.


© Martin Conrath, März/April 2008 (Quellennachweise, Scans und Transkriptionen auf Nachfrage. Eine PDF-Fassung des Textes finden Sie hier.)


1 Aus dem politischen Testament des Kurfürsten Friedrich Wilhelm zu Brandenburg (1620–1688). Vgl. Georg Küntzel / Martin Hass (Hrsg.), Die politischen Testamente der Hohenzollern, Leipzig / Berlin 1918, Bd. 1, S. 63

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